Impfstoff „Werte und Haltungen“?

Wie bekommt man die Werte, Visionen und die dazugehörigen Haltungen „in die“ Führungskräfte?

  

Die Pharmaindustrie könnte sehr viel Geld verdienen, wäre sie erfolgreich, einen Impfstoff zu entwickeln, der programmierbar für jedes Unternehmen diejenigen Werte, Haltungen und Kompetenzen den Führungskräften und Mitarbeitern subkutan verabreichen könnte, die sich die Eigentümer und / oder die Unternehmensführung erarbeitet hat und sich vorstellt…

 

So aber beschäftigen sich Führungsebenen und HR-Abteilungen moderner Unternehmen damit, Strategien, Prozesse und Produkte, Motivations-Coaches und -Speaker, etc. zu suchen, die ihre Vision, die Werte und Haltungen in den Mitarbeitern zum Leben erwecken. Und obendrein müssen die Führungskräfte sich noch als Vorbilder etablieren! Was für ein Stress…!

 

Werte und Haltungen wurzeln vor allem in zwei Strängen: der Unternehmensgeschichte (dem menschlichen Aspekt) und im Unternehmenszweck (dem materiellen Aspekt). Hier liegt also jeweils das Fundament, die Stoßrichtung für die Ausrichtung und die Strategie. Darauf aufbauend werden auf unterschiedlichste Weisen und mit unterschiedlichem Erfolg Mission, Vision, Values definiert – und dann geht’s los: Präsentationen, Broschüren, Schulungen, internes Marketing und Kommunikation, „Wertemanagement“ (das mag ich besonders…), Projekt-Teams, Spezial-Events („Geschäftsleitung kocht ein Mittagessen“ – schmackhaft!), etc.

 

All diese vielen Ansätze und Ideen zeigen vor allem eines: es gibt kein Rezept, keinen klaren, einzigen Weg, auf die Schnelle (und schnell muss es gehen!) Führungskräfte und Mitarbeiter in einem Unternehmen zu verändern. Und das ist auch gut so!

 

In den großen Projekten mit Unternehmen, in denen wir mit der Unternehmensleitung gemeinsam ganze Führungsebenen und insgesamt die Führungskultur auf ein höheres Niveau heben, kommt in der Diskussion sehr bald eine Grundsäule neben Unternehmensgeschichte, Unternehmenszweck und den erarbeiteten Unternehmenswerten als Wurzel / Fundament hinzu: die Grundwerte sozialer Systeme! Hier muss jede Arbeit am Development der Mitarbeiter ansetzen, denn diese Grundwerte verbinden alle Mitglieder in einem Systeme auf einer Meta-Ebene, auf der rein menschlichen – egal ob Fussball-Verein, Familien oder Unternehmen. Wie verständigen wir uns nun gemeinsam auf diese Werte?

 

 

Wertebegriff

 

In der Wirtschaft ist der Wertebegriff mehrfach besetzt. Vorrangig hat er materielle Bedeutung – ist doch das Ziel von Unternehmen vordergründig materielle und finanzielle Werte zu schaffen. Andererseits aber ist ein Unternehmen ein spezielles Gefäß, in dem unterschiedliche Menschen zusammen treffen und gemeinsam erfolgreich sein sollen – und idealerweise auch wollen. Und im sozialen Bereich sind es vor allem ethische Werte, diejenigen, die Menschen antreiben, zusammenhalten und erfolgreich machen.

 

Getrieben durch gehäufte Skandale in der Wirtschaft in den letzten Jahren lassen sich diese Bedeutungen immer schwerer von einander trennen – und so kommen den sozialen und ethischen Werten in Kombination mit den materiellen Werten in der Wirtschaft immer mehr Bedeutung zu.

 

Gehen wir aber einen Schritt zurück: die Werteforschung ist sehr komplex und erstreckt sich seit Jahrtausenden (die antiken Griechen haben schon einiges vorgelegt…!) auf mehrere Bereiche: die Philosophie, die Religion, die Psychologie, die Soziologie, etc.. Stellvertretend möchte ich hier einen der führenden Werteforscher Shalom H. Schwartz zitieren, der in den 1980er Jahren mit seinem Kollegen Wolfgang Bilsky seine Suche nach universellen Werten begonnen hat: nach seiner Definition sind Werte „trans-situationale Ziele mit variierender Wichtigkeit, die als Richtlinien im Leben einer Person oder einer Gruppe dienen.“

 

Wir besprechen also Richtlinien einer soziokulturellen Einheit, die auf einer persönlichen Ebene für einzelne Personen wie für verschiedene Gruppierungen gleichermaßen funktionieren müssen. Und diese Richtlinien gilt es in Einklang zu bringen mit den Richtlinien und Zielen eines Unternehmens. Dieses Verzahnen von vielen und besonders unterschiedlichen Bereichen und Ebenen ist die große Herausforderung beim Implementieren von Unternehmenswerten. Das Konglomerat an Richtlinien und Zielen muss klar und soweit verinnerlicht sein, dass es im Alltag gelebt werden kann!

 

Es gilt also die inhaltliche, intellektuelle Ebene auf eine Erlebnis-Ebene zu bringen. Erst das Erleben und Fühlen von gemeinsamen Richtlinien ermöglicht es den Mitarbeitern, diese auch im Alltag umzusetzen. Das ist der einzige Weg. Wir Menschen agieren doch vor allem „aus dem Bauch“ heraus und sind Meister darin, uns Fakten und Realitäten zurecht zu legen, um so zu agieren, wie wir es gewohnt sind und es uns aus der Summe unseres Erlebens richtig erscheint.Dies gilt es zu durchbrechen!

 

Es gibt viele Ansätze des Erlebens im Kontext von Unternehmen, um Transformation und Veränderung zu erzielen. Es ist wichtig, dies vor allem auf der Basis menschlicher Grundwerte aufzubauen. Darüber werde ich in meinen nächsten Überlegungen berichten – in Kürze „auf diesem Kanal“…!

 

Ich wünsche in der Zwischenzeit einen schwungvollen und stimmungsvollen Herbst,

Ihr

Florian Schönwiese