Musiker oder Dirigent?

Spezialist oder Persönlichkeit?

Wer ist die bessere Führungskraft – was verbindet die beiden Pole?

Wann immer ein neuer Dirigent vor uns ans Dirigentenpult tritt, wird er – wie jede neue Führungskraft in jedem Umfeld – sofort von uns „abgecheckt“… Die ersten Sekunden und Minuten zählen – im Auftreten, in der Ansprache, und vor allem dabei, wie ernst er sich, uns und die Musik nimmt – und zwar genau in dieser Reihenfolge…!

Anders als in der Welt der klassischen Musik, in der man sich normalerweise schon im Studium entscheidet, ob man die Verantwortung und den Stress als Führungskraft auf sich nehmen will und das Fach „Dirigieren“ studiert, oder eben ein Orchesterinstrument, kommen in der Welt der Wirtschaft viele Führungskräfte entweder aus den Teams von Spezialisten oder aus dem Bereich des „reinen Managements“

In der wissenschaftlichen Beschäftigung mit „Führung“ gibt es naturgemäß viele, viele Theorien (ich habe bei 75 aufgehört zu zählen…;-)). Angefangen von den Theorien die von den persönlichen Eigenschaften ausgehen, welche notwendig sind, um eine gute Führungskraft zu sein (Charisma ist ein gern verwendeter Begriff – aber was ist das?), bis hin zu den Theorien, die sich mehr auf den Inhalt, den konkreten Weg und das Ziel, fokussieren, und alle Ansätze, die man sich dazwischen vorstellen kann – und noch mehr.

Aus meiner Erfahrung im Orchester mit vielen, vielen Dirigenten, meiner Beschäftigung mit Leadership und nach der Arbeit mit ca. 500 Führungskräften in meinen Leadership-Seminaren habe ich zu diesem Thema eine klare Vorstellung gewonnen:

es braucht für eine erfolgreiche Führung:

  • Haltungen und Werte (Persönlichkeit / Charisma / Eigenschaften /…?), die auch gut entwickelt werden können
  • inhaltliches, theoretisches Wissen zum Inhalt der Unternehmung – das kann auch gut entwickelt werden
  • und vor allem Leidenschaft zum Inhalt, den Zielen, dem Bereich – da muss man bei einem recht hohen Level „einsteigen“, von Null ist das nicht zu entwickeln

Es benötigt also beide Pole, Spezialisierung und Persönlichkeit, die mit einer gehörigen Portion Leidenschaft verbunden sein müssen! Das Verhältnis ist im Idealfall gut aufgeteilt (1:1:1), am Beginn einer Führungsaufgabe muss aber vor allem tiefe Leidenschaft vorhanden sein, um die beiden anderen Bereiche auch möglichst schnell und befriedigend entwickeln zu können – und natürlich im Endeffekt alle drei Bereiche zu verbinden, zu vereinen und zu verinnerlichen!

Die beiden ersten Bereiche, den persönlichen und den inhaltlichen, muss man wahrscheinlich nicht erklären, man muss sich natürlich damit beschäftigen, welche Haltungen und Werte einerseits und welches Wissen andererseits notwendig, unumgänglich, brauchbar, etc. ist, aber der dritte Bereich, die Leidenschaft, scheint mir wichtig etwas genauer betrachtet zu werden.

In „unserer Welt der klassischen Musik“ ist es eindeutig: ein leidenschaftlicher Musiker / Dirigent taucht augenscheinlich in die Musik soweit ein, dass er oder sie das Umfeld, das Publikum, den materiellen Raum um sich völlig zu vergessen scheint. Er / sie lebt in diesem Moment, denkt und fühlt nur Musik, es heben sich Zeit und Raum auf, wir schaffen es in diesem Moment sowohl völlig in der Gegenwart zu agieren, aber auch die Vergangenheit, und vor allem die nächste Zukunft (wie entwickelt sich die Musik, auf wen muss ich im nächsten Moment besonders achten, etc.) zu leben. Im Sport nennt man diesen Zustand „Flow“. Gelebte Leidenschaft!

In anderen Bereichen, sei es in der Rolle als Eltern oder als Führungskraft von Wirtschaftsbetrieben ist die Leidenschaft oft nicht so eindeutig zu erkennen. Welche Punkte sind es, die wir da beachten, und uns bewusst machen müssen ?

  • Ziel-Bewusstsein: es ist wichtig, immer nach vorn zu schauen und entscheiden zu können, welche Details – auch im Umgang mit Menschen – wichtig sind.Wir müssen lernen wollen und kritikfähig sein!
  • es benötigt eine klare Vorstellung der Aufgabe, des Ziels, des Umfelds und vor allem aber des Zwecks der Unternehmung / des Unternehmens!
  • und vor allem einen echten Drang, irgendetwas anders, besser, fortschrittlicher zu machen, als die anderen, als das Unternehmen davor – also ein Drang zu neuen Ideen, Vorgangsweisen und Abläufen!

Erwecken Sie die Neugier und das Risiko in sich wieder – in den Details wie im großen Bild!

Das wünscht sich mit schwungvollen Grüßen

Ihr

Florian Schönwiese