Der Dirigent klingt selber nicht

über das Rollenverständnis von Führungskräften

Sind Sie schon Dirigent oder noch Manager? Spielen Sie noch ein Instrument oder schaffen Sie schon das passende Umfeld, die klare Ausrichtung und eine kreative Atmosphäre? So eindeutig die Rollenaufteilung im Orchester ist, so wichtig ist sie auch im Büroalltag von Unternehmen!

Ich gebe schon zu: im Orchester haben wir da einige Vorteile, z.B. steigen wir nicht „automatisch“ in der Hierarchie hinauf vom letzten Pult der 2. Geigen über die 1. Geige und den Konzertmeister, bis wir am Ende unserer Karriere „endlich“ Dirigent sind! Nein, die allermeisten Dirigenten entscheiden sich schon in ihrer Studienzeit, die Verantwortung und den Stress des Führens übernehmen zu wollen, während wir Orchestermusiker uns für den Weg des Spezialisten entschieden haben – und das dann auch bleiben! So ist die Akzeptanz viel größer! Und es ist auch klar, dass wir Spezialisten die vorgegebenen Aufgaben durchführen – inklusive kreative Zugabe von uns, ein reines Exekutieren wäre völlig langweilig!!

Ein weiterer Vorteil in unserer Welt der klassischen Musik ist es, dass Management und Leadership, also die organisatorische Arbeit und die Arbeit mit den Mitarbeitern, die Konzentration auf das Ergebnis und das Schärfen des Profils, getrennt sind. Es gibt den Orchester-Manager, der für den organisatorischen Ablauf zuständig ist (Finanzen, Konzert-, Proben- und Reisepläne, Verträge, etc.) und den (Chef-)Dirigenten, der sich um die inhaltliche Arbeit, die Ausrichtung der Visionen, das Erreichen einer guten Performance, die „echte“ Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern kümmert. Beides zweifellos wichtige Rollen in den Unternehmen – das Managen können die meisten Führungskräfte (erlernen), für das Schaffen eines kreativen Umfeldes können sich viele aber noch ein Scheibchen abschneiden von so manchen guten Dirigenten!

Eine erfolgreiche Arbeit eines guten Dirigenten ist geprägt von drei Dingen:

  • guter Vorbereitung
  • klaren, verinnerlichten Visionen
  • einer inneren Haltung von Vertrauen und Respekt

Das Studium der Partitur, also den Vorgaben des Komponisten, ist die Grundlage für das Erarbeiten einer persönlichen, klaren und überzeugenden Vision. Diese Vision, eine Interpretation der vorgegebenen Informationen, muss so fest verinnerlicht sein, von den Details bis zum großen Ganzen, kann eine gute Führungskraft beginnen, ihre Ideen, ihre Vorstellungen und Ziele zu kommunizieren. Und so kann sie auch ihre Generalkompetenz vermitteln. Übrigens: Musik ist zwar zweifelsfrei eine universale Sprache, aber jeder Dirigent, ja jeder Musiker, muss auf einer völlig anderen Ebene seine Ideen vermitteln – wir können nicht „Musik sprechen“, wir können nur ÜBER Musik sprechen, über die Wirkungen, über die Emotionen, die Gefühle, die Bilder im Kopf, die Verhältnisse, etc.. Jede Führungskraft muss also seine persönliche Art zu kommunizieren entwickeln, die es ihm oder ihr ermöglicht, jeden Menschen im Team zu erreichen.

Und last but not least ist es die Aufgabe einer guten Führungskraft darauf zu vertrauen, dass ihre Spezialisten, die Mitarbeiter, den Klang des Unternehmens erzeugen – nicht der Dirigent! Es ist die klare Aufgabe der Führungskraft eine Atmosphäre von Vertrauen und Respekt zu schaffen, die es uns Mitarbeitern ermöglicht, die klaren Ideen und Vorgaben unseres Chefs erfüllen zu WOLLEN-  Dabei ist es wichtig, den notwendigen Freiraum zu erhalten, unsere Stärken, unsere Kreativität und unser Wissen aktiv einbringen zu können, und dafür nach der Performance auch den Applaus zu genießen – gemeinsam mit dem Dirigenten und ALLEN Kollegen!

Spielen Sie also mit der Vorstellung, dass nicht Sie als Führungskraft die Arbeit machen, sondern ihre Mitarbeiter – sie unterstützen Sie, wenn Sie sie lassen, sehr gerne! Genießen Sie Ihre Rolle, für das Umfeld verantwortlich zu sein, und sich nicht in den Details verlieren zu müssen, das wollen Ihre Spezialisten tun! Und wagen Sie es, sich konzentriert beobachtend zurück zu lehnen!

Viel Spaß!

Mit schwungvollen Grüßen

Florian Schönwiese